Verhaltenstherapie bei Schlafstörungen
ALLGEMEINES
Die Schlafzyklen
Ein zentraler Punkt beim Schlaf ist, dass er in Zyklen von etwa 90 Minuten verläuft. In einer typischen Nacht durchläuft ein Mensch etwa 4 bis 6 Schlafzyklen. Jeder dieser Zyklen setzt sich idealerweise aus drei Phasen zusammen:
1. Kernschlaf – leichter Schlaf, in dem der Körper beginnt, sich zu entspannen.
2. Tiefschlaf – die erholsamste Phase, in der sich Körper und Gehirn regenerieren.
3. REM-Schlaf – eine Phase intensiver Gehirnaktivität, wichtig für Gedächtnis und emotionale Verarbeitung.
Wenn man ein natürliches „Einschlaffenster“ verpasst, kann es sein, dass der Körper erst mit dem nächsten Zyklus wieder bereit ist einzuschlafen. Es hilft daher nicht, sich unter Druck zu setzen oder zu lange wach im Bett zu bleiben.
Nocturnale Thermoregulation – Warum Abkühlen beim Einschlafen hilft
Zusätzlich spielt die Körpertemperatur eine entscheidende Rolle: Der Schlaf ist mit einer Absenkung der Körperkerntemperatur um etwa 1 bis 2,5 °C verbunden. Diesen Effekt kann man gezielt unterstützen, um das Einschlafen zu erleichtern. Das Schlafzimmer sollte daher kühl sein – die optimale Raumtemperatur für guten Schlaf liegt bei 16–18 °C. Eine zu warme Umgebung erschwert das Absinken der Körpertemperatur und kann den Schlaf stören.
STIMULUSKONTROLLE
Die Stimuluskontrolle ist eine bewährte Methode, um den Zusammenhang zwischen Bett und Schlaf (wieder) zu stärken. Menschen mit Schlafstörungen geraten oft in einen Teufelskreis: Sobald die Schlafenszeit näher rückt, entsteht Unruhe – aus Angst, nicht schlafen zu können. Diese Anspannung hält wiederum wach, sodass sich das Problem weiter verstärkt.
Das Schlafzimmer
-
Halten Sie Ihr Schlafzimmer kühl. Die empfohlene Schlaftemperatur liegt bei 16–18 °C. Zu hohe Temperaturen können das Einschlafen erschweren und zu unruhigem Schlaf führen.
- Umgebungsgeräusche sollten leiser sein als 30 Dezibel (Flüstern).
- ggf. kann man bei besonderem Bedarf einen „Schlafduft“ ausprobieren (z.b. Lavendel, Zeder, Sandelholz, Geranie, Jasmin).
Wie Sie Ihren Schlaf verbessern können
• Gehen Sie nur ins Bett, wenn Sie wirklich müde sind. Das Bett sollte mit Schlaf verknüpft sein – nicht mit Grübeln oder Warten auf den Schlaf.
• Wenn Sie nicht innerhalb von 30 Minuten einschlafen, stehen Sie wieder auf. Da der Schlaf in Zyklen verläuft, ist es besser, sich erst zum nächsten natürlichen Einschlaffenster wieder hinzulegen. Bleiben Sie dabei aber nicht länger als eine Stunde wach, denn Sie werden ca. alle 90 Minuten müde.
• Nutzen Sie das Bett nur zum Schlafen (und für sexuelle Aktivitäten). Wer im Bett fernsieht, liest oder am Handy scrollt, bringt den Körper dazu, das Bett mit Wachsein zu verknüpfen.
• Falls Sie nachts aufwachen, vermeiden Sie helles Licht. Ein kleines Nachtlicht kann helfen, sich zu orientieren, sollte aber beim Schlafen wieder ausgeschaltet werden. Vermeiden Sie anregende Tätigkeiten – ruhige, monotone Beschäftigungen sind besser.
Nutzen Sie die Absenkung der Körpertemperatur zum Einschlafen
- Der kalte Beinguß
- Dafür einfach dem Einschlafen oder auch in der Nacht vom Knöchel beginnend zur Kniekehle jeden Unterschenkel mit kaltem Wasser kurz abduschen. Die Gefäße stellen sich weit und das Blut „sinkt“ in die Beine. Das macht müde.
- Das warme Wannenbad
- Auch ein warmes Wannenbad (ca. 37–40 °C) für 15 bis 30 Minuten kann das Einschlafen erleichtern.
- Die Wärme führt zu einer Weitstellung der Blutgefäße, wodurch der Körper die aufgenommene Temperatur anschließend über die Haut wieder abgibtt.
- Nimmt man das Bad etwa 1–2 Stunden vor dem Schlafengehen, kann die nachfolgende Abkühlung optimal wirken. Das entspannt, macht müde und unterstützt die natürliche Absenkung der Körperkerntemperatur. Andererseits, „wer schläft hat recht“, wenn Sie direkt nach dem Bad schon müde sind, dann ab ins Bett.
• In den ersten Tagen kann sich der Schlaf noch eingeschränkt anfühlen. Doch wer diese Prinzipien konsequent umsetzt, gibt seinem Körper die Chance, zu einem gesunden Schlafrhythmus zurückzufinden.
• Stehen Sie morgens immer zur gleichen Zeit auf. Auch wenn die Nacht schlecht war, reguliert ein fester Rhythmus den Schlaf langfristig.
• Schlafen Sie tagsüber nicht. Das macht es am Abend schwerer, müde zu werden.
Schlafrituale
- Nehmen Sie sich z.B. Beispiel vor um 22 Uhr ihr Handy auszuschalten, um sich bewusst von der Außenwelt „abzunabeln“.
- Wannenbad / Beinguß (siehe oben)
- Ein gefälliges Getränk: z.B. Milch mit Honig, Tee.
- Identifizieren Sie zunächst z.B. über eine Woche ihr Müdigkeitsfenster. Das Schlafritual muss natürlich davor stattfinden.
BETTZEITRESTRIKTION
Bettzeitrestriktion bedeutet, dass Sie nur im Bett liegen sollten, wenn Sie tatsächlich schlafen. Ziel ist es, den Schlafdruck zu erhöhen, damit Sie schneller einschlafen und weniger wach liegen. Dazu wird die Zeit, die Sie im Bett verbringen, an Ihre tatsächliche Schlafdauer angepasst.
Dafür führen Sie zunächst ein Schlaftagebuch oder nutzen eine Smartwatch, um zu erfassen, wie lange Sie pro Nacht wirklich schlafen. Wenn sich zeigt, dass Ihre Schlafeffizienz dauerhaft unter 85 % liegt – also dass Sie deutlich länger im Bett liegen, als Sie tatsächlich schlafen – kann eine Bettzeitrestriktion sinnvoll sein. Erst wenn sich die Schlafqualität verbessert hat und Sie während mindestens 85 % der Zeit im Bett schlafen, wird die Bettzeit schrittweise verlängert, bis eine stabile Schlafdauer erreicht ist.
Wenn Sie z.b. jede Nacht erst um 3 Uhr einschlafen und um 8 Uhr aufstehen, dann kürzen Sie ihren Schlaf jede Woche um eine halbe Stunde. Das heißt Woche 2 wird um 07:30 Uhr aufgestanden, Woche 3 um 07 Uhr usw.
Diese Methode kann sehr anstrengend sein, besonders in den ersten Wochen. Man fühlt sich oft müde, gereizt und wenig leistungsfähig. Deshalb ist sie, wenn überhaupt, eher in einer Urlaubsphase oder während einer Krankschreibung umsetzbar.
Die folgende Tabelle bezieht sich auf die Mindestschlafzeit, die Sie einhalten sollten, nicht auf die Liegezeit:
Mehr als 6 Stunden Schlaf
Bettzeitrestriktion ist nicht notwendig.
- Falls trotzdem Einschlafprobleme bestehen, sind feste Schlafzeiten, Schlafhygiene und Entspannungstechniken oft hilfreicher.
5,5 bis 6 Stunden Schlaf
Bettzeitrestriktion kann helfen.
- Falls die Zeit die Sie im Bett verbrignen deutlich länger ist als die effektive Schlafzeit, kann eine sanfte Einschränkung der Bettzeit auf etwa 6 Stunden sinnvoll sein. Eine weitere Reduktion ist nicht empfehlenswert.
- Falls nach 4–6 Wochen keine Verbesserung eintritt, kann eine verhaltenstherapeutische Begleitung sinnvoll sein.
5 Stunden Schlaf
Bettzeitrestriktion ist möglich, aber mit Vorsicht anzuwenden.
- Wenn die Zeit die Sie im Bett verbringen länger als 7 Stunden ist, kann eine Reduktion helfen. Die tatsächliche Schlaftzeit sollte aber nicht unter 5–5,5 Stunden fallen.
Falls die Schlafprobleme über Wochen bestehen oder sich stark auf den Alltag auswirken, sollte ein Verhaltenstherapeut hinzugezogen werden.
Weniger als 5 Stunden Schlaf
Bettzeitrestriktion ist in der Regel nicht sinnvoll, da eine weitere Einschränkung oft zu extremer Tagesmüdigkeit führt.
• Stattdessen sind Stimuluskontrolle, feste Schlaf-Wach-Zeiten und Entspannungstechniken sinnvoller.
• Bei einer Schlafdauer unter 5 Stunden sollte in jedem Fall ein Verhaltenstherapeut hinzugezogen werden.
Bettzeitrestriktion wird häufig mit Stimuluskontrolle kombiniert.
Bei Durchschlafstörungen macht Bettzeitrestriktion in der Regel keinen Sinn.
SCHLAFZEITPUFFER
Wenn der Schlaf durch nächtliches Erwachen oder längere Wachphasen unterbrochen wird, kann es sinnvoll sein, die gesamte Schlafdauer großzügiger zu planen. Wer beispielsweise früh genug zu Bett geht und insgesamt acht Stunden für den Schlaf einplant, hat einen ausreichenden Puffer, um auch bei gelegentlichen Wachphasen noch auf eine erholsame Gesamtschlafzeit zu kommen.
Wenn Sie es sich z.B. leisten können 9 Stunden für ihren Schlaf zu veranschlagen, dann ist eine vorübergehende Schlafunterbrechung von 1,5 Stunden bis zum nächsten“Müdigkeitsschub“ weniger problematisch, denn Sie kommen immer noch auf 7,5 Stunden Schlaf.
Entscheidend ist, nicht in Stress zu geraten oder sich unter Druck zu setzen, sofort wieder einschlafen zu müssen. Stattdessen hilft es, eine entspannte Haltung einzunehmen und darauf zu vertrauen, dass die verbleibende Schlafzeit ausreicht, um erholt in den nächsten Tag zu starten.
LICHTTHERAPIE
Der Tagesrhythmus wird u. a. von Licht reguliert. Licht wirkt über die Netzhaut des Auges direkt auf die Zirbeldrüse (Epiphyse) im Gehirn ein. Die Zirbeldrüse produziert das Hormon Melatonin, das eine wichtige Substanz bei der Regulation des individuellen Tag-Nacht-Rhythmus darstellt.
Die Exposition mit hellem Licht am Morgen führt zu einer erhöhten Ausschüttung von Melatonin am Abend und trägt zur Verbesserung des Schlafes bei.
Voraussetzungen
- Eine Tageslichtlampe mit 10.000 Lux
- Zum Beispiel die TL 30 von Beurer (LINK zum Hersteller)
Dauer der Anwendung
- Mindestens 30 Minuten
Die Lichtterhapie ist insbesondere zu empfehlen bei Schichtarbeit oder Jetlag.
ENTSPANNUNGSÜBUNGEN
Wenn Sie immer wieder Schlafprobleme haben, kann das Erlernen und Üben von Entspannungstechniken hilfreich sein.
- Autogenes Training: Diese Entspannungstechnik ist meine erste Wahl. Sie wirkt auf durch das gezielte Lenken der Aufmerksamkeit auf verschiedene Körperregionen und ähnelt der Meditation.
- Progressive Muskelrelaxation: Diese Entspannungstechnik leitet, im Unterschied zum Autogenen Training, auch an zum An- und Entspannen von Muskelgruppen. Die Technik ist deshalb besser geeignet für Menschen denen es schwer fällt länger ruhig zu liegen.
Die Entspannungstechniken sind leicht mit einer Audiodatei zu erlernen. Sie hören einfach auf die Stimme und machen mit. Ich empfehle die Aufnahme von „Minddrops“, die z.B. über Apple Music oder YouTube Music, aber auch als Download oder als CD verfügbar sind.
KÖRPERLICHE AKTIVITÄT
Körperliche Aktivität verbessert den Schlaf, da sie den Energieverbrauch steigert und die Freisetzung von Adenosin fördert – einer Substanz, die den Schlafdruck erhöht und müde macht. Frauen sind übrigens sensibler gegenüber Adenosin. Es muss kein intensiver Sport sein, aber Bewegung ist wichtig.
Zudem hat regelmäßige Bewegung viele weitere gesundheitliche Vorteile und wird daher allen Personen mit Schlafproblemen empfohlen.
Vermeiden Sie jedoch anstrengendes Training in den letzten drei Stunden vor dem Zubettgehen, da die Ausschüttung von Stresshormonen zunächst wachhalten kann.
Stand: 02/2025